Unternehmen in Schwierigkeiten: gerichtliche Reorganisation
12.04.2021
Im Zuge der aktuellen Gesundheitskrise und den damit einhergehenden Beschränkungen sind viele Unternehmen ins Wanken geraten. Der Umsatz sinkt, die Fixkosten bleiben. Da stehen Liquiditätsprobleme auf der Tagesordnung.
Trotzdem muss es nicht unbedingt zu einem Konkurs kommen. Ein letzter Ausweg kann die gerichtliche Reorganisation sein.
Jedes Unternehmen im weitesten Sinne des Wortes, d.h. eine natürliche Person, ein Freiberufler, eine Gesellschaft oder eine Vereinigung, kann einen Antrag auf gerichtliche Reorganisation stellen, insofern der Fortbestand des Unternehmens unmittelbar oder in absehbarer Zukunft gefährdet ist.
Der Antrag auf gerichtliche Reorganisation wird über die Plattform REGSOL beim Unternehmensgericht eingereicht. Für die Vorbereitung des Antrags und vor allem für die Zusammenstellung der Unterlagen wird meist die Hilfe eines Anwalts in Anspruch genommen.
Das Gericht kann einen gerichtlichen Mandatsträger bezeichnen, der nach Lösungen sucht.
Es wird ein Reorganisationsplan erstellt, Verhandlungen mit den Gläubigern geführt und ggf. Aktiva oder ein Teil der Aktivität verkauft.
Ziel des Verfahrens ist es, den Konkurs zu vermeiden, das Unternehmen aus der Misere zu führen, die Arbeitsplätze zu erhalten und dies möglichst ohne Benachteiligung der Gläubiger.
In Anbetracht der derzeitigen Krise hat der Gesetzgeber nun zwei Neuerungen eingeführt, die zu mehr Flexibilität führen sollen:
- Es wurde mehr Flexibilität vorgesehen bezüglich der Unterlagen, die dem Antrag auf gerichtlicher Reorganisation beigefügt werden müssen.
Beispielsweise kann das Unternehmen, welches nicht in der Lage ist, alle angeforderten Unterlagen einzureichen, eine Notiz hinterlegen mit der entsprechenden Begründung.
- Des Weiteren ist es nun möglich, dass ein gerichtlicher Mandatsträger bezeichnet wird, ohne dass eine Veröffentlichung im belgischen Staatsblatt erfolgt. Die Bezeichnung des gerichtlichen Mandatsträgers wird nicht publiziert und die Gläubiger werden nicht unnötig „verschreckt“.
Der Mandatsträger kann „hinter den Kulissen“ sogenannte „Vereinbarungen zur Vorbereitung“** der gerichtlichen Reorganisation mit den Gläubigern aushandeln. Dies in einem vertraulichen Rahmen.
Obwohl die klassische gerichtliche Reorganisation noch nicht begonnen hat, kann der Mandatsträger sogar einen Vollstreckungsaufschub bis zu 4 Monaten beantragen. Vorher war dies nur im Rahmen einer gerichtlichen Reorganisation nach Veröffentlichung möglich.
Es besteht somit die Möglichkeit, Verhandlungen in einem vertraulichen Rahmen zu führen und ggf. von dem Vorteil eines Vollstreckungsaufschubs zu profitieren.
Diese Neuerungen sollen die negativen Auswirkungen der Coronakrise kompensieren und das System zugänglicher und effektiver machen. Zum jetzigen Zeitpunkt gilt die Neuerung jedoch nur bis zum 30.06.2021. Ob es eine Verlängerung gibt, ist noch unklar.
*Gesetz vom 21.03.2021, in Kraft seit dem 26.03.2021 bis zum 30.06.2021
** freie Übersetzung: accords préparatoires
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